Eines Tages kam einer zu Sokrates und war voller Aufregung.
„He, Sokrates, hast du das gehört, was dein Freund getan hat? Das muss ich dir gleich erzählen.“

„Moment mal“, unterbrach ihn der Weise. „hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“

„Drei Siebe?“ fragte der Andere voller Verwunderung.

„Ja, mein Lieber, drei Siebe. Lass sehen, ob das, was du mir zu sagen hast, durch die drei Siebe hindurchgeht.

Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?“

„Nein, ich hörte es irgendwo und . . .“

„So, so! Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft. Es ist das Sieb der Güte. Ist das, was du mir erzählen willst – wenn es schon nicht als wahr erwiesen ist -, so doch wenigstens gut?“

Zögernd sagte der andere: „Nein, das nicht, im Gegenteil …“

„Aha!“ unterbrach Sokrates. „So lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden und lass uns fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich erregt?“
„Notwendig nun gerade nicht …“

Also“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir das erzählen willst, weder erwiesenermaßen wahr, noch gut, noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit!“

Eine sehr weise Geschichte, öfters ist es eine Herausforderung es umzusetzen. Eventuell weil wir zu schnell in das Fahrwasser der vorschnellen Meinung kommen oder weil wir uns auch manchmal Ereignisse von der Seele reden wollen. Ich schreibe euch diese Geschichte, weil es mir letzte Woche passierte, dass ich vorschnell eine Meinung fasste und die auch noch kundtat.

Ich nenne nun mein Opfer aus dem Freundeskreis ganz einfach Emma. Jedenfalls hat unsere Emma eine Kurzschlusshandlung gesetzt, die niemand verstand, sie wollte auch anfangs mit niemanden darüber reden. Sie hat damit alle anderen vor den Kopf gestoßen. Ich habe die Geschichte von zwei verschiedenen Seiten gehört und war ziemlich genervt und habe gesagt: diese Zickerei geht mir ziemlich auf die Nerven, es war ja nicht das erste Mal, dass Emma alle anderen vor den Kopf stößt und sich keiner auskennt.“, das waren meine vorschnellen Worte, ich habe Emma in die Schublade „zickt herum“ gegeben und basta.

Ich hatte dann die Gelegenheit mit Emma zu sprechen. Zuerst redete sie um den heißen Brei herum, doch wenigstens hat sie mit mir gesprochen. Dieses längere Gespräch, endete in einem Heulkrampf und die ganze Fassade bröckelte ab. Vor mir stand eine Frau die nach Hilfe schrie, die Verständnis brauchte, weil sie das Gefühl hatte, sie schafft alles nicht mehr. Emma ist alleinerziehend und hat 3 Söhne. Ich kam mir so schäbig vor, dass ich Emma als Zicke tituliert hatte und sie vorschnell in eine Schublade gesteckt hatte ohne die Geschichte, ohne die Hintergründe genau zu kennen und ich erinnerte mich an die Geschichte von den drei Sieben.

Die Wahrheit, wer kennt denn wirklich immer die Wahrheit, schon wenn dir zwei Personen über die gleiche Geschichte berichten wirst du zwei verschiedene Versionen hören, weil unsere Wahrnehmung mit unseren Erfahrungen, unserer Erziehung, unseren Vorlieben, unseren Interessen eine ganz andere ist. Also schon von zwei Leuten entstehen verschiedene Geschichten.

Welche Wahrnehmung ist wahr? Wie geht es dir damit, hast du schon mal die verschiedenen Wahrnehmungen beobachtet?

Die Güte, wir meinen es ja in erster Linie nicht schlecht, wenn wir etwas erzählen, doch wir bleiben manchmal gerne hängen in den Tratschgeschichten und geben gerne unseren Senf dazu. Ohne manchmal wirklich zu wissen, was wirklich passiert ist und welche Vorgeschichte dahinter steckt. Wissen wir, welche Prägungen, welche Erfahrungen dahinterstecken, warum ein Mensch so handelt, wie er handelt.

Und die Notwendigkeit? Kann es sein, dass wir Gehörtes weitererzählen, um es loszuwerden? Wir wollen es uns von der Seele reden, weil wir dann das Gefühl haben, es geht uns besser.

Geht es dir dann wirklich besser?

Vielleicht ist es auch die Ablenkung von unseren eigenen Geschichten. Besser doch die Geschichten von den anderen, da können wir uns dann wirklich rein steigern und sind selbst nicht betroffen. Es soll ja Leuten geben, denen geht der Gesprächsstoff aus, wenn sie nur Positives erzählen.

Im Geheimen gefragt: erzählst du gerne Geschichten aus purer Sensationslust weiter oder vielleicht um von dir abzulenken? Fühlst du dich ertappt? Macht nichts, Lache und mache es nächstes Mal anders.

Was ist mit Emma? Emma hat es gut getan, durchzuatmen, sie wird eine professionelle Hilfe aufsuchen. Ich habe mich an der Nase genommen und mir selbst versprochen, bevor ich wieder vorschnell meine Meinung ungeprüft abgebe, mache ich lieber eine Lachübung. Jetzt lächle ich über mich, um nicht zu streng zu mir zu sein, denn ich bin ja auch ein Mensch, der Fehler machen darf. Doch sein Bewusstsein wieder auf Wahrheit, Güte und Notwendigkeit zu schärfen ist immer gut. 😊


Lachende Grüße
Nina Fuchs😊